Oder: Wir fahren mit der Benrather Linie
Ein beliebtes Partyspiel besteht darin, dass jeder Spieler einen Zettel mit dem Namen einer berühmten Persönlichkeit auf die Stirn geklebt bekommt und diese dann durch Ja/Nein-Fragen erraten muss. Dass man dieses Spiel nicht nur mit Stars, sondern auch mit Sprachen spielen kann, weiß ich seit zwei Wochen.
Vom 13. bis zum 17. November habe ich an der Studentischen Tagung Sprachwissenschaft, kurz [ʃtʊts], in Düsseldorf. Auf dieser Tagung treffen sich linguistikbegeisterte Studenten, um Vorträge zu halten, sich auszutauschen und die Art von Spaß zu haben, dem Außenstehende mit einer Mischung aus Unverständnis und Angst begegnen. Das Ratespiel haben wir außer Sichtweite der Öffentlichkeit im Hostelzimmer veranstaltet, aber unser Glossotechnia - ein Spiel, bei dem man in der Gruppe eine neue Sprache entwirft - haben wir in einer Kneipe gespielt und dafür ordentlich schräge Blicke vom Kellner bekommen.
Auf der Tagung habe ich wirklich einige erfrischend schräge Vögel kennen gelernt. Während mein Linguistikstudiengang den Schwerpunkt aufs Deutsche legt, studieren viele der Tagungsteilnehmer Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft. Diese linguistischen Hansdampfs in allen Gassen beherrschen oft recht exotische Sprachen, von denen ich zum Teil bis zur Tagung noch nicht einmal gehört hatte. Unter den Nerds war ich noch die Normale - die, die keine Conlang spricht und auch nicht gerade dabei ist, eine zu entwickeln.
Einen Vortrag habe ich mich dennoch zu halten getraut. Vor einem erstaunlich großen und interessierten Publikum habe ich die Ergebnisse meiner Bachelorarbeit zu multiethnischen Jugendsprachen vorgestellt. Es hat mir noch nie Probleme bereitet, vor vielen Menschen zu sprechen - ganz im Gegenteil, ich muss zugeben, dass ich mich ganz gerne reden höre und unter anderem daher eine Karriere in Forschung und Lehre in Erwägung ziehe. Zu Beginn des Vortrags war ich etwas aufgeregt, was sich dann aber schnell legte, sodass die zwanzig Minuten Redezeit wie im Flug vergingen und ich hinterher zufrieden mit mir und meiner Präsentation war.
Zudem habe ich auch vielen anderen spannenden Vorträgen gelauscht. Toll, was für eine Vielfalt es dort gab! Von Schriftsprachtransfert bilingualer Schüler über Fremdsprachenakzentsyndrom bis zum unscheinbaren Wörtchen hm und seinen Bedeutungen. Zwar konnte ich nicht allen Vorträgen inhaltlich komplett folgen, aber ich habe doch bei allen Leuten gemerkt, dass sie hier über Themen sprechen, die ihnen am Herzen liegen. Die Atmosphäre ist eine ganz andere als bei einem Uni-Referat, das man schnell hinter sich bringen möchte - wesentlich konzentrierter, zugleich aber auch entspannter.
Besonderes Highlight für insbesondere die germanistischen Linguisten unter uns war die unmittelbare Nähe zur Benrather Linie. Hierbei handelt es sich um eine Sprachgrenze, die unter anderem durch den Düsseldorfer Stadtteil Benrath verläuft und nach ihm benannt ist. Als wir morgens in die Straßenbahn vom Hostel zur Uni fuhren und feststellten, dass genau diese Bahnlinie nach Benrath fährt, waren wir natürlich ganz aus dem Häuschen - Hihi, wir sind in der Benrather Linie!
Von den anderen Passagieren haben wir nur ungläubige Blicke geerntet.
Auf die Benrather Linie!
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