Oder: "Aber ich studier nicht Medizin."
Vorgestern postete eine Studienanfängerin ganz panisch in der Facebook-Erstigruppe, dass sie erst heute in der Uni-Stadt ankomme und dringend einen Schlafplatz benötige. Da ich weiterhin auf Mitbewohnersuche bin* und somit ein freies Bett abzugeben habe, habe ich ihr kurzerhand geschrieben, dass sie erstmal bei mir unterkommen kann. Sie ist dann gestern angekommen, wurde von ihrer Mutter hergefahren, beide waren mir natürlich dankbar. Die Dankbarkeit hat sich in einem Marmeladenglas voller Pralinen geäußert - wäre doch nicht nötig gewesen!
Sie studiert hier Medizin und hat erst am Dienstag im Losverfahren ihren Studienplatz bekommen. Ich bin wirklich froh, dass ich so früh von meinem Studienplatz wusste, denn es ist wirklich kein Vergnügen, jetzt noch in irgendeiner Stadt ein Zimmer oder eine Wohnung finden zu wollen. Natürlich hatte sie schon einen Plan B, war bereits in ihrer Heimatstadt für Biologie eingeschrieben und bekam die Zusage für Medizin, während sie beim Kennenlernfrühstück der Biologen saß.
Diese Woche war die sogenannte O-Woche, das ist diese unglaublich lustige Veranstaltung, bei der alle Erstis Stadtrallyes, Kneipentouren und Nachtwanderungen mit ihrer Fachschaft unternehmen. Ich war nur bei der studiengangsspezifischen Infoveranstaltung für meinen Studiengang und hab den Rest der O-Woche den Erst-Erstis überlassen.
Nun fragte mich die temporäre Mitbewohnerin, ob ich nicht Lust hätte, bei der Nachtwanderung der Mediziner mitzugehen. Da ich für den Abend nichts geplant hatte, habe ich einfach zugesagt. Am vereinbarten Startpunkt trafen wir dann auf etwa 100 Medizin-Erstis, von denen sich einige schon aus anderen Veranstaltungen kannten; die Mitbewohnerin und ich hingegen waren Frischlinge. Ich habe dann ein Mädchen entdeckt, das sich das freie Zimmer in meiner WG angesehen hatte, und wir haben uns ihrer Clique für den Rest des Abends angeschlossen.
Ich habe mich immer mit meinem Vornamen und dem Zusatz "... aber ich studier gar nicht Medizin" vorgestellt, was natürlich für etwas Verwirrung gesorgt hat. Auch als Eindringling wurde ich von den Medizinern nett aufgenommen, ich bin ja schließlich ein umgänglicher Mensch und beiße nicht. Außerdem bin ich eine Bereicherung für jedes Flunkyball-Team - getroffen habe ich zwar nicht, als ich mit mit dem Werfen am Zug war, aber immerhin ging mein Wurf nicht ganz so weit daneben wie bei einigen anderen Spielern.
Wir haben natürlich nicht nur Flunkyball gespielt, sondern sind auch tatsächlich ein wenig gewandert. Ziemlich kalt war es gestern, sodass ich froh war, mir vorgestern vorsorglich Handschuhe gekauft zu haben. So eine Nachtwanderung ist auch eine schöne Art, seine neue Stadt und ihre Umgebung kennen zu lernen. Ich bin sonst nicht so fürs Wandern zu haben, aber in einer großen Gruppe machts schon Spaß. Die meisten Teilnehmer waren am Zielpunkt ziemlich durchgefroren, sodass wir uns umso mehr über den Glühweinausschank gefreut haben. Zurück ging es dann faulerweise mit dem Bus. Einer der Vorteile von Studentenstädten ist ja, dass das Busnetz meistens gut ausgebaut ist, sodass auch vom Stadtrand nachts um eins noch Busse in die Innenstadt fahren - in meiner Heimatstadt wäre ich da aufgeschmissen.
Morgen hat das süße O-Wochen-Leben ein Ende - die Lehrveranstaltungen gehen los, worauf ich schon ganz gespannt bin.
Auf die O-Woche!
* Ich habe mich schon entschieden, aber die Wunschkandidatin meldet sich erst morgen zurück. Wenn sie absagt, habe ich genug andere Kandidaten in der Hinterhand.