Oder: Der minimale Unterschied
Hier haben gestern die Lehrveranstaltungen wieder begonnen. Erstis taumeln
auf der Suche nach Hörsälen und Seminarräumen verloren durch die Uni. In vielen
Fächern verbringen sie das erste Semester in Einführungsveranstaltungen, so
auch bei uns in der Linguistik.
Ein Teilgebiet der Linguistik, das die Erstis im Laufe des Semesters kennen
lernen werden, ist die Phonologie, die sich mit den „Eigenschaften, Relationen
und Systemen“ (Bußmann 2008, 526) der Phoneme einer Sprache befasst. Ein Phonem
ist die kleinste bedeutungsunterscheidende akustische Einheit – ändert sich
durch den Austausch eines Lauts die Bedeutung eines Ausdrucks, so ist dieser
Laut ein Phonem der betreffenden Sprache. Die beiden Ausdrücke bilden ein
sogenanntes Minimalpaar.
Ein Beispiel:
[ma͜ʊs] und [la͜ʊs]
Die hier transkribierten Ausdrücke Maus
und Laus bezeichnen verschiedene
Dinge und unterscheiden sich nur in einem Laut – [m] bzw. [l]. [m] und [l] sind
somit Phoneme der deutschen Sprache.
<Maus> und <Laus> bilden auch graphematisch ein Minimalpaar.
Dies ist aber nicht Voraussetzung, wie <schon> und <Sohn> zeigen.
Orthographisch geschrieben unterscheiden sie sich in mehr als einem Zeichen,
doch phonologisch bilden
[ʃoːn] und [zoːn]
ein Minimalpaar.
Ein anderes Minimalpaar ist mir begegnet, als ich in der Mittagspause in
einem Werbeprospekt geblättert habe. Die Eleganz der betreffenden Küche soll
wahrscheinlich [ʃlɪçt] sein, nicht [ʃlɛçt].
Genug gelacht? Ich jedenfalls fands witzig. Noch einmal zurück zu
<schon> und <Sohn>. Dem Laut /ʃ/ ist im Deutschen nicht ein
einzelner Buchstaben, sondern (in der Regel) die Buchstabenkombination <sch>
zugeordnet. Andere Sprachen, deren Lautinventar ebenfalls /ʃ/ beinhaltet, geben
den Laut anders wieder: Im Englischen findet sich häufig <sh>, selten
<s> wie in <sugar> [ʃʊgɚ], und <tio> im Suffix {-tion},
während das Französische auf <ch> zurückgreift. Einige slawische Sprachen
nutzen ein diakritisches Zeichen, den (oder das) Hatschek <š>.
Zum Schluss noch ein Tipp – wenn man selber etwas
transkribieren möchte, aber wie ich zu faul ist, IPA-Zeichen mithilfe von
Unicode einzugeben, kann man sich mit dem IPA Character Picker behelfen.
Auf die eckigen Klammern!
Bussmann,
Hadumod (42008): Lexikon der
Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner.