Samstag, 7. September 2013

Mitbewohnperson

Oder: "Putzt du gerne?"

Nach meinen Erfahrung mit den Erstis diese Woche kann ich im Nachhinein verstehen, warum viele bestehende WGs ungern Erstsemester aufnehmen. Vor drei Jahren, als ich zum Studienbeginn meine erste WG in der damaligen Uni-Stadt gesucht habe, hat mich das natürlich mächtig geärgert. Viele WGs haben Bewerber ohne WG-Erfahrung von vornherein abgelehnt, andere haben mit der Begründung abgesagt, dass sie sich für jemanden in einem höheren Semester entschieden haben. Nach mehreren Fehlversuchen fand ich dann doch eine WG, die sich allerdings nach kurzer Zeit als wenig angenehm herausstellte. Der folgende Dialog spielte sich in der ersten Woche zwischen mir und einem der beiden Mitbewohner ab.

Ich: Ich putz dann mal den Herd, der sieht ja unmöglich aus.
Mitbewohner: Wieso? Das Essen ist doch im Topf, da ist es egal, wie der Herd aussieht.

Das ist natürlich eine Logik, gegen die der gesunde Menschenverstand nicht ankommt. Den Herd habe ich trotzdem geputzt, und in den folgenden Monaten war ich auch die einzige, die den Herd geputzt hat. Und den Rest der Küche. Und das Bad. Und den Flur. Abgesehen von gelegentlichen Erinnerungen an den von mir erstellten Putzplan hatte ich mit meinen Mitbewohnern nicht viel zu tun. Wir hatten gar keine gemeinsamen Interessen - der eine war ein Verbindungsheini, der gerade mit seiner Diplomarbeit beschäftigt war, und der andere ein sozial inkompetenter Informatiker. Ich habe wirklich nicht gern dort gewohnt. Zum Glück hatte ich das Zimmer nur zur Zwischenmiete, sodass ich wusste, nach meinem Auslandsjahr in eine andere WG oder Wohnung ziehen zu können.

Geplant hatte ich es nicht, aber auch während des Auslandsaufenthalts bin ich umgezogen. Zuerst habe ich bei einer Familie gewohnt und dort Wohnen gegen Hilfe gemacht, das heißt, ich war für die Kinderbetreuung zuständig und habe im Gegenzug ein Zimmer gestellt bekommen. Allerdings wuchsen mit die Pflichten dort bald über den Kopf, weil ich so eingespannt war wie ein normales Au-Pair-Mädchen und gleichzeitig die französische Uni wuppen musste. Daher bin ich nach fünf Monaten ausgezogen und hatte ein grandioses Abenteuer vor mir. Zimmersuche in Paris.

Dort gibt es großartige Zimmer! Sehr geräumig und gar nicht teuer. Äh, nee, sehr teuer und gar nicht geräumig. Mir wurden dort wirklich abenteuerliche Kammern angeboten, unter anderem ein unmöbliertes 14-qm-Zimmer im Dachgeschoss, das so viel Schräge hatte, dass man dort nur auf 2 qm aufrecht stehen konnte. Aber viel schöner war ein WG-Angebot: Der Typ, der dort wohnte, war schon Ende 30, behauptete aber in der Internet-Anzeige, dort wohne noch eine weitere Studentin. Als ich mich vorstellte, war von der zweiten Studentin keine Rede mehr. Stattdessen war seine erste Frage, ob ich gerne putze. Sucht er eine Reinemachfrau oder eine Mitbewohnerin? Mir war schnell klar, dass ich dort nicht einziehen würde, und hatte dementsprechend auch keine Fragen mehr. Er sagte dann: "Aber es ist ganz wichtig, dass man Fragen stellt! Vielleicht bin ich ja so einer, der nachts in dein Zimmer kommt und dir beim Schlafen zusieht." Nichts wie weg!

Ich habe dann letzten Endes ein kleines Appartement für mich allein gefunden, zwar nicht billig, aber ich zahle lieber etwas mehr und habe dafür meine Ruhe vor Mitbewohnmonstern. Wieder zurück in Deutschland, konnte ich mich direkt wieder auf die Suche machen. Da geriet ich wieder an so einen Spezialfall, einen Real-Life-Sheldon (also Cooper, der aus Big Bang Theory). Er hatte tatsächlich eine Mitbewohnervereinbarung, die ich hätte unterzeichnen sollen! Nicht so umfangreich wie Sheldons, aber doch über zwei A4-Seiten. Einige Highlights:
  • Der Abwasch ist innerhalb von 5 bis 10 Minuten nach Beendigung der Mahlzeit zu erledigen.
  • Duschen sind auf maximal 7 Minuten zu begrenzen.
  • Übernachtungsbesuch ist mindestens 24 h im Voraus anzukündigen.
Da wollte ich auch nur noch weg. Zum Glück habe ich dann eine nette Mitbewohnerin gefunden, mit der ich auch mal reden konnte und die meine Vorstellungen von Zusammenleben (und von Putzen!) geteilt hat. Da sie Zahnmedizinerin im 2. Jahr und ich faule Geisteswissenschaftlerin war, hatte sie allerdings immer recht viel zu tun, ist früh ins Bett und morgens früh wieder raus. Insgesamt war es aber eine schöne WG-Zeit.
Den bisher besten Mitbewohner - und das schreibe ich nicht, weil ich weiß, dass er hier mitliest - habe ich jetzt. Wir haben in den letzten zwei Wochen ungefähr drei Mal so viel geplaudert, wie ich mit meinen beiden ersten Pappnasen in einem ganzen Jahr gesprochen habe. Gestern abend klopfte er bei mir und fragte mich, ob ich ihm auf dem Balkon Gesellschaft leiste, während er eine raucht. Ungeachtet der Tatsache, dass meine bisherigen Mitbewohner alle Nichtraucher waren, wäre das in meinen früheren WGs nicht passiert. Find ich gut.

Auf das WG-Leben!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen