Freitag, 6. September 2013

Chomsky im Milchhafen

Im Sommersemester vor zwei Jahren habe ich Einführungskurse in die Linguistik belegt, in denen wir uns auch ganz kurz mit Noam Chomsky beschäftigt haben. Wie es der Zufall wollte, war Chomsky für ein paar Tage an einer Uni in der Nähe zu Gast. Der Prof einer Einführungsveranstaltung riet uns damals dringend, Chomskys Vortrag zu hören, da der Mann ja schon recht alt sei und man nicht wisse, ob das nicht vielleicht sein letzter Besuch in Deutschland ist. Leider hatten ziemlich viele Leute so gedacht, und der Hörsaal, in dem der Vortrag stattfinden sollte, war schon voll, als ich dort ankam. Vor dem Hörsaal stand eine ziemlich frustrierte Menschentraube. Einige haben versucht, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, den Vortrag doch per Video in einen anderen Hörsaal zu übertragen. Das sei technisch nicht möglich, wurde uns erklärt, und wir wurden auf den Livestream im Internet verwiesen. Ja prima! Bis ich zu Hause bin und dort den Livestream geladen habe, ist der Vortrag bestimmt vorbei.

Ich hatte mich schon damit abgefunden, Chomsky für immer verpasst zu haben, bis ich fast genau zwei Jahre später auf einer Konferenz war, zu der Chomsky als keynote speaker eingeladen war. Chomsky ist ja nicht nur Linguist, sondern eine Art Universalmeckerziegeintellektueller. Sein Vortrag im Rahmen der Konferenz war daher auch keiner sprachlichen, sondern einer politischen Fragestellung gewidmet. Fast zwei Stunden hat der alte Mann geredet, über dies und jenes, über Occupy und Edward Snowden, über Brasilien und die Türkei. Am Ende war er so in Rage, wie es ein Mann Mitte 80 eben sein kann. Er hatte zwar alles angeprangert, was aktuell und dauerhauft nicht stimmt in der Welt, aber eine Universalantwort hatte auch er nicht. Ich habe fleißig Fotos gemacht und in einschlägigen sozialen Netzwerken hochgeladen, muss aber zugeben, dass #Chomsky kein so publikumswirksamer hashtag ist wie #dinner oder #shopping.

Eigentlich soll es hier auch gar nicht um meine kleinen Chomsky-Anekdoten gehen, sondern um einen Post im language log, den ich heute morgen interessiert bis amüsiert gelesen habe. Ich fasse den Artikel kurz zusammen - eine türkische Tageszeitung führt ein E-Mail-Interview mit Chomsky, der aber nicht auf alle Fragen antwortet. Der Redakteur erfindet daraufhin Antworten. Das Interview wird auf Türkisch und im englischen 'Original' veröffentlicht. Doch wie übersetzt man die erfundenen Aussagen nun am besten schnellsten und am billigsten vom Türkischen ins Englische? Klar, mit Google Translate.

Google Translate ist - nicht zuletzt dank der fleißigen Arbeit von Computerlinguisten - ein sehr brauchbares Werkzeug, um schnell die Grundgedanken eines fremdsprachigen Texts zu erfassen. In den letzten Jahren hat sich Übersetzungssoftware entwickelt - früher wurde kontextunabhängig ein Wort nach dem anderen übersetzt, heute werden Wortgruppen, Redewendungen und Kollokationen oft richtig erkannt und übertragen. Doch Google Translate ist kein Übersetzer, und es stößt gerade bei idiomatischen Ausdrücken doch oft an seine Grenzen.

So auch im Chomsky-'Interview'. Die allerschönste Stilblüte ist sicherlich die vom Milchhafen. Meine Türkischkenntnisse begrenzen sich auf şalter (ja, das ist das, wonach es aussieht - Schalter!) und milföy (Blätterteig, von frz. millefeuille), deswegen kann ich mir über den türkischen Satz kein Urteil erlauben. Er lautet
Aksine ne zaman ki her şey süt liman olur, düzene girer işte o zaman Batı'da telaş başlar.*
Google Translate bastelte daraus
Contrary to what happens when everything that milk port, enters the work order, then begins to bustle in the West.
Wie der language log erklärt, wurde hier eine Redewendung nicht erkannt und dementsprechend wörtlich übersetzt. süt und liman sind übersetzt tatsächlich 'Milch' und 'Hafen', sodass im Englischen milk port daraus wird. Es handelt sich eigentlich um eine Redewenung oder Metapher, die so viel bedeutet wie ruhig oder friedlich.

Wobei es mich auch nicht wundern würde, wenn der Mann, dessen farblose grüne Ideen es zu einem gewissen Ruhm gebracht haben, plötzlich von Milchhäfen sprechen würde. Was er selber wohl dazu sagt?

Auf die Transformationsgrammatik!

* Ich habe den Satz mal von Google Translate ins Deutsche übersetzen lassen und bekam die Nonsens-Übersetzung "Im Gegensatz zu dem, was geschieht, wenn alles, was Milch-Port, in die Arbeit, um, dann beginnt Treiben im Westen." Interessant ist, dass Google Translate mich fragt "Meinten Sie..." - lasse ich diesen Satz übersetzen, ist der Milchhafen plötzlich verschwunden: "Im Gegensatz zu dem, was passiert dann alles glatt, es gibt Auftrag, dann beginnt es im Westen zu fuss."

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